(aktualisiert u. a. um Hinweise zur Rechtsprechung des VG Hannover, Beschluss vom 11.05.2022, 15 B 1609/22 am 18.05.2022)
Mitarbeiter, die bis Mitte März bei ihrem Arbeitgeber keinen Impf-, Genesenen- oder Kontraindikationsnachweis vorgelegt hatten, haben mich anlässlich der anlaufenden Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht durch Thüringens Gesundheitsämter kontaktiert. Abhängig von der Region scheinen die Schreiben der Behörden in Thüringen bisher zwischen Mitte und Ende April mit gelbem Briefumschlag (der sogenannten Postzustellungsurkunde) versendet worden sein.
Was kann man als Betroffener tun?
Vorab:
Ich lege hier meine Gedanken als Politiker offen, der die Impfpflicht für verfassungs-widrig und für moralisch verwerflich hält. Ich bin zwar auch Rechtsanwalt, werde aber keinen Nebenverdienst mit der Politik machen, in die ich auch als Abgeordneter involviert bin. Eine individuelle Rechts-beratung durch einen Rechtsanwalt im Rahmen eines Mandats können meine unverbindlichen Ausführungen nicht ersetzen. Es kann durchaus auch sein, dass im Falle eines Lesers spezielle Aspekte zu berücksichtigen sind, auf die ich hier nicht eingehen kann. Zudem bezieht sich die Rechtslage, die ich anspreche, in bestimmten Punkten auf Thüringen und ist alles andere als abschließend geklärt.
Nun aber zur Sache:
Persönlich halte ich nicht viel davon, direkt den Weg zum Bundesverfassungsgericht zu beschreiten. Die Besetzungspraxis der Altparteien hat dafür gesorgt, dass das höchste deutsche Gericht in allen politischen Verfahren meines Erachtens seine Neutralität längst verloren hat, da die Richter ziemlich ungeniert nach politischer Duftnote und Loyalität ernannt werden. Leider ist die einrichtungsbezogene Impfpflicht hochpolitisch. Denn hieran hängen nicht nur die Glaubwürdigkeit, sondern streng genommen sogar Fragen der persönlichen Verantwortung von Regierungsvertretern, die in den vergangenen zwei Jahren Impfpflicht und Impfzwang befürwortet und erzwungen haben.
Ein sinnvolles Ziel ist aus meiner Sicht die Verzögerung der Konsequenzen aus der einrichtungsbezogenen Impfpflicht für Betroffene, und zwar möglichst solange, dass eine Umsetzung politisch oder durch Zeitablauf scheitert. Denn die einrichtungsbezogene Impfpflicht tritt Ende dieses Jahres außer Kraft, was allerdings extrem gut versteckt geregelt ist.
Für eine Verzögerung bietet das Verfahren gute Möglichkeiten, welches auf Landesebene durch ministerielle Erlasse konkretisiert wurde. In Thüringen findet man diesen unter folgendem Link:
Auch die geplante Zeitschiene zum Ablauf ist hier einsehbar, wobei sich schon jetzt erkennen lässt, dass dieser Zeitplan kaum eingehalten werden kann. Herunterladen kann man auch Musterbescheide und Anschreiben, von denen das erste gerade bei dem Betroffenen eingegangen ist - nämlich die Aufforderung zur Vorlage des Nachweises beim Gesundheitsamt. Um die geht es in diesem Beitrag, alles andere bleibt weiteren Beiträgen vorbehalten.
Ist diese unangenehme Aufforderung also bei einem eingegangen, bestehen grundsätzlich mehrere Handlungsoptionen für Betroffene, die sich auch weiterhin nicht impfen lassen werden:
1. Bin ich betroffen?
Zunächst sollte man anhand der Ausführungen im Erlass klären, ob man überhaupt Betroffener der einrichtungsbezogenen Impfpflicht ist. Insofern muss ich den Thüringer Erlass schon fast loben, denn er erläutert ziemlich detailliert, wer betroffen ist und wer nicht. Ist man der Meinung, von der gesetzlichen Pflicht nicht betroffen zu sein, macht es natürlich Sinn, dies dem Amt unter Darlegung der Gründe mitzuteilen.
2. Habe ich einen neuen Genesenennachweis oder Kontraindikationsnachweis?
Ist man betroffen und hat zwischenzeitlich einen Genesenennachweis oder, was höchst selten sein dürfte, einen Kontraindikationsnachweis erhalten, sollte man diesen an das Amt übermitteln. Damit gewinnt man viel Zeit, das Verfahren endet zunächst.
3. Betroffene ohne Nachweis - wie wäre es mit einem Widerspruch?
Die zugestellte amtliche Aufforderung zur Vorlage des Nachweises ist nach meiner Überzeugung ein Verwaltungsakt, da die Behörde hoheitlich im Einzelfall verfügt, dass der Betroffene innerhalb einer bestimmten Frist eine Unterlage vorzulegen hat. (einige stufen die Aufforderung als Realakt ein, was mich aber überhaupt nicht überzeugt).
Gegen einen Verwaltungsakt kann man in Thüringen Widerspruch einlegen, auch dann, wenn keine Rechtsbehelfsbelehrung vorhanden ist, wie das im Fall der mir vorgelegten Aufforderungsschreiben von Ämtern aus Thüringen der Fall zu sein scheint.
Ein solcher Anfechtungswiderspruch hat grundsätzlich eine „aufschiebende Wirkung“ - die amtliche Aufforderung zur Vorlage des Nachweises wird in ihrer Wirkung also gehemmt. Das dürfte nach meiner Überzeugung auch der Grund sein, warum bereits im Musterschreiben die Rechtsbehelfsbelehrung weggelassen wurde. Die Behörden sollen dem Betroffenen so vermutlich gar nicht erst auf die Idee bringen, einen Widerspruch in diesem zeitkritischen Verfahren einzulegen. Der Gesetzgeber hat bei § 20a Abs. 5 Infektionsschutzgesetz meines Erachtens nämlich ein Problem für die Behörde erzeugt:
Er hat zwar unter anderem für das Tätigkeitsverbot und für die Anordnung der ärztlichen Untersuchung nach § 20a Abs. 5 S. 2 und 3 IFSG geregelt, dass Widerspruch und Anfechtungsklage dagegen keine aufschiebende Wirkung haben. Für § 20a Abs. 5 S. 1 IFSG, welcher die Befugnis der Ämter regelt, von Betroffenen die Vorlage des Nachweises verlangen zu können, gilt diese Regelung aber nicht.
Sollte sich also die von mir vertretene Auffassung durchsetzen, dass es sich bei diesen Schreiben um Verwaltungsakte handelt, hemmt ein Widerspruch der Betroffenen die mit der amtlichen Aufforderung verbundene Nachweisvorlagepflicht zunächst. Zwar ist damit zu rechnen, dass das Amt bei seiner Auffassung bleibt und auch die Widerspruchsbehörde aus politischen Gründen keine andere Auffassung vertritt. Eine Verfahrensverzögerung kann hierdurch aber möglicherweise erreicht werden. Nachteilhaft ist, dass damit voraussichtlich weitere Kosten entstehen werden.
Wie sieht ein Widerspruchsschreiben aus? Hier ein grobes Muster:
"...
An das
[Adresse Amt, zum Beispiel
Landratsamt xyz]
…
Widerspruch gegen die Aufforderung zur Vorlage eines Nachweises nach § 20a IFSG,
Ihr Schreiben vom …
Ihr Aktenzeichen: …
Sehr geehrte Damen und Herren,
gegen Ihren oben genannten Bescheid vom …, mit dem Sie mich unter Fristsetzung zur Einreichung eines Nachweises im Sinne des § 20a Abs. 1 IFSG auffordern, lege ich hiermit Widerspruch mit folgendem Antrag ein:
Der Bescheid des … (Amtsbezeichnung eintragen, zum Beispiel Landratsamt xyz) vom … (Datum), Aktenzeichen … (Das finden Sie im Aufforderungsschreiben meistens über dem Fettgedruckten.), wird aufgehoben.
Begründung:
Hier können Sie sich austoben und alle rechtlichen und faktischen Argumente vortragen, die aus Ihrer Sicht gegen die Impfpflicht und damit natürlich auch gegen die Nachweisvorlagepflicht sprechen. Sie sollten dabei ernsthaft und sachlich argumentieren. Gute Argumente finden Sie zum Beispiel bei
https://netzwerkkrista.de/2022/04/04/offener-brief-an-die-mitglieder-des-bundestages-anlaesslich-der-geplanten-abstimmung-zur-impfpflicht-am-7-april-2022/.
Mit freundlichen Grüßen
Ort, Datum
Name des Betroffenen
Unterschrift nicht vergessen
Zugestellt werden sollte der schriftliche Widerspruch möglichst so, dass er erst zum Ende der gesetzten Frist bei der Behörde eingeht, damit er einerseits vor weiteren Verfahrensschritten mit seiner aufschiebenden Wirkung Berücksichtigung finden muss und andererseits die Frist möglich ausgeschöpft wird. Sorgen Sie bitte auch für einen Zugangsnachweis, entweder indem Sie es unter Zeugen beim Amt in den Briefkasten einwerfen bzw. übergeben und den Zustellungszeitpunkt entsprechend vermerken, oder indem Sie Ihren Widerspruch per Einschreiben mit Rückschein versenden.
4.) Ergänzender Tipp: Bereits in der amtlichen Aufforderung zur Vorlage des Nachweises steht zwar schon der Hinweis, dass man eine Verfahrensunterbrechung herbeiführen kann, indem man dem Amt Unterlagen vorlegt, aus denen sich eine Impf-Terminserie ergibt und bei welcher der erste Termin vom Tage der Vorlage beim Amt an nicht mehr als drei Wochen in der Zukunft liegt. Die Unterbrechung des Verfahrens erfolgt dann bis zu einem angemessenen Zeitraum des zuletzt genannten Termins. Ob man diese Möglichkeit bereits jetzt nutzen möchte, sollte man sich gut überlegen. Denn der Erlass regelt, dass diese Möglichkeit nur einmal funktioniert. In jedem Fall sollte man die Unterlagen zur Impf-Terminserie erst kurz vor Fristablauf vorlegen, um möglichst viel Zeit dafür zu gewinnen, über die Frage nachzudenken, wie viel Sinn eine Coronaimpfung kurz vor dem Sommer für die Menschheit und einen selbst macht.
5.) Ergänzende Hinweise zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Hannover, Beschluss vom 11.05.2022, 15 B 1609/22:
Ich verstehe, dass diese Entscheidung des Gerichts vielen Betroffenen Hoffnung macht. Ich würde mich aber nicht zu sehr darauf verlassen, dass auch andere Verwaltungsgerichte das so sehen und insbesondere die höheren Gerichte die Entscheidung bestätigen. Denn die 15. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannovers kommt jedenfalls meines Erachtens zum Teil zu ungewöhnlichen Ergebnissen und scheint einen besonderen Fall entschieden zu haben:
Ungewöhnlich finde ich das Anzweifeln der Verwaltungsaktsqualität der amtlichen Aufforderung, entsprechende Nachweise unter Fristsetzung vorzulegen. Denn diese Aufforderung erfolgt gegenüber einem Einzelnen (dem angeschriebenen Betroffenen) und ist meines Erachtens durchaus eine hoheitliche Maßnahme einer Behörde (dem Gesundheitsamt) zur Regelung eines Einzelfalls (der Betroffene soll den Nachweis innerhalb der gesetzten Frist beim Amt vorlegen). Daran ändert auch nichts, dass diese Aufforderung weitere Verwaltungsakte vorbereitet. Denn natürlich kann auch ein Verwaltungsakt einen anderen vorbereiten. Die Zukunft wird zeigen, welche Auffassung sich in der Rechtsprechung durchsetzt.
Zum anderen scheint der entschiedene Fall recht speziell zu sein, auch wenn sich aus der Entscheidung selbst kein vollständiger Überblick ergibt, wie der angefochtene Bescheid aussah, über den das Verwaltungsgericht Hannover entschied. Offenbar beziehen sich die Ausführungen auf ein angedrohtes Zwangsgeld für den Fall der Nichtvorlage eines Impfnachweises. Eine solche Zwangsgeldandrohung bei fehlendem Impfnachweis erfolgt nach meinem Kenntnisstand zum Beispiel in Thüringen bisher nicht.
Rechtsanwältin Rohring, die ich für ihre Aufklärungsarbeit sehr schätze, sieht sich auch durch diese Entscheidung offenbar in ihrer Überzeugung bestätigt, dass ein Bußgeld für Betroffene ausscheidet, wenn man über keinen Nachweis verfügt, weil man ihn ja dann nicht übersenden kann. Ich finde diesen Ansatz durchaus vertretbar, bin aber auch hier vorsichtig, ob sich das so in den Instanzen durchsetzt. Als Konsequenz aus dieser Argumentationsmöglichkeit würde ich jedoch dazu tendieren, in jedem Fall auf das Aufforderungsschreiben innerhalb der gesetzten Frist zu reagieren und zumindest mitzuteilen, dass man über keinen der genannten Nachweise verfügt (soweit das der Fall ist). Natürlich kann man das auch im Rahmen des von mir angesprochenen Widerspruchs machen, wobei dieser Verfahrenskosten auslösen kann.
Ich werde in meinem Blog gelegentlich weitere unverbindliche Hinweise zum Verfahren geben, die mir einfallen. Schauen Sie also ruhig mal wieder rein. Fall Sie Fragen haben, können Sie auch gern im Wahlkreisbüro anrufen (03691/6580059 Büro Eisenach, Herr Haseloff). Besuche sind dort zur Zeit allerdings nicht möglich, weil die Glasfront leider zerstört wurde.
Ihr Stefan Möller
AfD Thüringen
Eine wirklich klasse Darstellung, wie man eine Impfpflicht vermutlich hinzögern oder hinschieben kann.
Ich werde ganz sicher in Ihrem Blog auf weitere Neuigkeiten schauen und danke Herrn Höcke für den Hinweis auf Ihren Blog.
Freundliche Grüße
Friedhelm Lenz