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  • moeller49

Was heißt hier "Impfpflicht"? Tipps zur Rechtslage für betroffene Mitarbeiter

Aktualisiert: 13. Jan. 2022

Wichtiger Hinweis vorab: Die Diskussion um die Rechtslage intensiviert sich, je näher der Stichtag kommt. Ich werde den Beitrag daher bei neuen Erkenntnissen und Argumenten, die aus meiner Sicht wichtig sind, entsprechend ergänzen. Klarstellen möchte ich auch, dass ich als Politiker und Jurist eine ablehnende Grundhaltung gegenüber dem mit § 20 a IFSG verfolgten Zweck habe - dem Zwang vieler Berufstätiger zu Coronaimpfungen. Ich halte dieses Ziel weder für ethisch noch für verfassungsrechtlich vertretbar. Schauen Sie also ruhig regelmäßig mal in diesem Beitrag und den vielen (Juristen-)Blogs, die sich mit dem Thema befassen, vorbei.


Update 13.01.2022: Mittlerweile steht bereits bei focus.de (https://www.focus.de/gesundheit/news/pfleger-auf-jobsuche-krankenschwester-ungeimpft-sucht-job-verschaerft-die-impflicht-die-pflegekrise_id_37063001.html), dass das Bundesgesundheitsministerium gegenüber der "Tageszeitung" erklärte, bei der Nichtvorlage des Nachweises ab den 16.03. bestehe keine Verpflichtung zur Freistellung des Bestandspersonals durch die Leitung.


Und weiter: Stattdessen liege die Entscheidung (über ein behördliches Beschäftigungsverbot und damit über eine Freistellung) beim zuständigen Gesundheitsamt, wobei auch die Personalsituation in der Einrichtung berücksichtigt werde. Behauptungen, man werde am 16. März entlassen, wenn man nicht geimpft sei, werden also vom Bundesgesundheitsministerium laut Focus-Beitrag ad absurdum geführt.


Also nochmal: Keine Panik! Die Position der Betroffenen gegenüber den Arbeitgebern ist ziemlich stark! Aber auch Arbeitgebern nimmt diese Klarstellung eine Last von den Schultern.



Und nun zum Beitrag:


Für alle ungeimpften Mitarbeiter von Krankenhäusern, Praxen, Rettungsdiensten und Pflegeeinrichtungen, die ohne Chance auf Feststellung einer medizinische Kontraindikation gegen die Corona-Impfungen sind, möchte ich aufgrund der großen Nachfrage die rechtliche Situation hier zum Nachlesen aufführen. Dabei versuche ich möglichst allgemeinverständlich zu bleiben. Eine anwaltliche Beratung kann dieser Text allerdings nicht ersetzen:


Zunächst zur Rechtslage:


§ 20a Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IFSG) legt fest, dass Personen ab dem 15. März 2022 entweder geimpft oder genesen sein müssen, wenn sie in einer der aufgeführten Einrichtungen wie zum Beispiel Krankenhäusern, bestimmten Pflegeeinrichtungen, Arztpraxen oder Rettungsdiensten arbeiten. Dies bedeutet im Klartext, dass für den Zeitraum bis zum 15. März 2022 über mögliche „Berufsverbote“ überhaupt nicht diskutiert werden muss. Es gibt keine Grundlage dafür.


Aber auch ab dem 15. März bestehen für den Großteil der Mitarbeiter keine Einschränkungen bei der Einsetzbarkeit, insbesondere keine „Berufs-, Betretungs- oder Tätigkeitsverbote". Das ergibt sich nämlich daraus, dass das Infektionsschutzgesetz an das Fehlen eines Impf- oder Genesenennachweises zunächst keine negative Rechtsfolge knüpft - auch nicht für den Arbeitgeber. Zwar müssen laut § 20a Abs. 2 IFSG alle Personen, die bereits in solchen Einrichtungen tätig sind, einen entsprechenden Impf- oder Genesenennachweises bei der Leitung vorlegen, wenn sie keine medizinische Kontraindikation durch ärztliches Zeugnis nachweisen können. Ungeimpfte können das natürlich schon aus logischen Gründen nicht erfüllen.


Das macht aber erstmal nichts, weil daran für den Mitarbeiter und den Betrieb im Gesetz zunächst keine negative Rechtsfolge geknüpft ist. Die Leitung macht pflichtgemäß eine Meldung beim Amt und vermeidet so ein Bußgeld. Für den Mitarbeiter gibt keinen direkten Bußgeldtatbestand, der ab dem 16.03.2022 automatisch gilt. Erst ab der Anforderung eines Nachweises durch die Behörde nach § 20 a Abs. 5 IFSG kommt ein Bußgeld für den Betroffenen in Betracht (§ 73 Abs. 1a Nr. 7h IFSG). Ein gesetzliches Beschäftigungs- oder Tätigkeitsverbot existiert für die die bereits vor dem 16. März 2022 in der Einrichtung tätigen Mitarbeiter nicht.


Anders ist die Rechtslage hingegen für Mitarbeiter solche Einrichtungen, die ab dem 16. März 2022 dort ein Arbeitsverhältnis beginnen. Für sie gibt es nämlich im § 20a Abs. 3 IFSG eine Sonderregelung. Können sie keinen Nachweis vorlegen, besteht ein gesetzliches Beschäftigungsverbot. Das heißt, sie dürfen ohne Nachweis gar nicht erst dort beschäftigt werden. Hier die beiden Absätze des § 20 a IFSG, um die es geht:


Was passiert nun aber mit Bestandsmitarbeitern nach dem 15. März 2022, wenn kein Nachweis vorgelegt werden kann?


Nun, die spannende Frage dürfte zunächst einmal sein, wie viele Mitarbeiter dies betrifft. Bleibt die Quote der ungeimpften Mitarbeiter so systemrelevant hoch wie bisher, passierte vermutlich nicht viel. Denn: Das Gesundheitsamt kann nach § 20a Abs. 5 IFSG die Vorlage eines Nachweises vom betroffenen Mitarbeiter anfordern. Und es kann bei Ausbleiben des Nachweises dann ein behördliches Betretungs- oder Tätigkeitsverbot aussprechen, muss es aber nicht. Das Ganze ist eine sogenannte Ermessensentscheidung.


Einige Rechtsanwälte vertreten hierzu nun die Meinung, die Behörden wären in ihrem Ermessen jedoch „auf Null reduziert“ bzw. es läge eine „gebundene Entscheidung“ vor. Solche Fälle gibt es vereinzelt auch bei sogenannten „Kann“-Vorschriften. Sie sind aber die Ausnahme.


Argumentiert wird von diesen Rechtsanwälten im Wesentlichen mit § 20a Abs. 1 IFSG, der eine Impfpflicht vorsieht. Bei dieser Argumentation fällt aber unter den Tisch, dass bereits jener § 20a Abs. 1 IFSG zwei weitere Ausnahmen enthält (den Genesenennachweis und den Fall der medizinischen Kontraindikation). Weiterhin berücksichtigt diese Argumentation nicht, dass es der Gesetzgeber selbst war, der in den Absätzen 2 und 3 unterschiedliche Rechtsfolgen für Bestandsmitarbeiter und neue Mitarbeiter ab dem 16. März 2022 festlegte. Hätte der Gesetzgeber eine gebundene Entscheidung auch bei Bestandsmitarbeitern festlegen wollen, so hätte er das gesetzliche Beschäftigungsverbot auch einfach wie in Absatz 3 für neue Mitarbeiter regeln können. Das entsprach aber offenkundig nicht seinem Willen, weil ihm nämlich klar war, dass je nach Fortentwicklung der Impfbereitschaft ein Versorgungsnotstand droht, auf den man flexibel reagieren können muss. Die Argumentation, dass der Gesetzgeber zwei Fallgruppen (Bestandsmitarbeiter und neue Mitarbeiter ab dem 16. März 2022) hinsichtlich der Rechtsfolgen zwar ausdrücklich unterschiedlich regelt, aber eigentlich haargenau dasselbe gewollt hätte, entbehrt nicht einer gewissen unfreiwilligen Komik. Denn so unfähig sind die Juristen im Bundestag anderen Behauptungen zum Trotz nicht.


Das Ermessen, welches die Kann-Vorschrift des § 20 a Abs. 5 IFSG den Behörden einräumt, muss also auch ausgeübt werden. Dabei sind mit hoher Wahrscheinlichkeit unter anderem folgende Aspekte zu berücksichtigen:


1. die Schwere des Grundrechtseingriffs,

2. die aktuelle Gefährdung des Gesundheitssystems durch die allgemein Infektionslage (die im Frühjahr bekanntermaßen drastisch abnimmt),

3. Auswirkungen des Ausfalls der betroffenen Mitarbeiter für die Funktionsfähigkeit des Versorgungssystems /Gefahr einer Versorgungsnotlage (hier spielt also die kritische Masse eine große Rolle),

4. anderweitige Immunitätsnachweise (z. B. der Nachweis von Antikörpertitern),

5. der wissenschaftliche Stand zur Wirksamkeit der Impfungen und deren Nebenwirkungen gegen die dann relevanten Virusvarianten,

6. die Anzahl der Abendessen für Bundesrichter im Kanzleramt (natürlich nicht - kleiner Scherz und Aufmerksamkeitstest 😉)

und v. a. m.


Ein behördliches Betretungs- oder Tätigkeitsverbot sollte daher umgehend geprüft und bei mutmaßlich bestehenden Erfolgsaussichten rechtlich angegriffen werden.



Und was ist nun mit aktuellen Abmahnungs- und Kündigungsdrohungen durch diverse Arbeitgeber für den Fall, dass kein Nachweis vorgelegt werden kann?


Letztlich werden diese Fragen durch die Arbeitsgerichte entschieden. Die sind tendenziell eher arbeitnehmerfreundlich, aber andererseits durch die Corona-Spaltung sicherlich auch nicht völlig unbeeinflusst. Letzteres kann gut für den betroffenen Arbeitnehmer sein, aber auch ungünstig. Lässt man diese Faktoren mal außen vor, dürfte das Risiko einer Niederlage hauptsächlich beim Arbeitgeber liegen, wenn das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist (grob gesagt: Betrieb hat mehr als 10 Mitarbeiter, Dauer des Arbeitsverhältnisses länger als 6 Monate).


Eine Regelung zur Umsetzung der Corona-Impfpflicht dürfte in den seltensten Fällen im Arbeitsvertrag stehen und würde im Übrigen auch die Frage aufwerfen, ob eine solche Regelung überhaupt wirksam vereinbart werden konnte.


Bis zum 15. März gibt es für den Arbeitgeber auch überhaupt keine Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit und Einsetzbarkeit, die in der Person des Arbeitnehmers liegt. Nach dem 15. März gilt das auch, solange kein behördliches Betretungs- oder Tätigkeitsverbot ausgesprochen wurde. Da man aus heutiger Sicht (vergleiche oben) kaum mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgehen kann, dass betroffene Mitarbeiter flächendeckend mit Betretungs- und Beschäftigungsverboten belegt werden (vergleiche die Ausführungen oben zum Ermessen), scheidet nach meiner Überzeugung auch eine negative Prognose hinsichtlich der zukünftigen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers aus.


Auch hier vertreten einige Anwälte die Auffassung, dem Arbeitgeber, insbesondere Ärzten bliebe gar keine andere Möglichkeit übrig, als ungeimpfte Mitarbeiter zu kündigen. So würde Ärzten, die § 20a Abs. 1 IFSG ignorieren, der Widerruf der Approbation drohen. Das überzeugt mich schon deshalb nicht, weil man sich mal die typischen Fallgruppen anschauen sollte, in denen der Widerruf der Approbation erfolgt ist. Das betrifft beispielsweise so krasse Fälle wie einen Zahnarzt, der einem Patienten ohne ausreichenden Befund unter Vollnarkose zwanzig Zähne gezogen hatte und auch strafrechtlich verurteilt wurde, Fälle sexuellen Missbrauchs, Abrechnungsbetrugs usw.


Mal ganz abgesehen von den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelungen in § 20a IFSG:


Bei der Anwendung dieser Vorschrift befindet sich ein ärztlicher Arbeitgeber in einer ganz anderen Situation, als in den typischen Fällen eines Widerrufs der Approbation. Denn bei Bestandsmitarbeitern hat der Gesetzgeber ja selbst die Entscheidung getroffen, dass es kein sofortiges gesetzliches Beschäftigungsverbot gibt. Warum also soll der ärztliche Arbeitgeber das Risiko auf sich nehmen und im vorauseilenden Gehorsam faktisch eine Lage herbeiführen, die einem tatsächlich nicht existierenden gesetzlichen Beschäftigungsverbot entsprechen würde? Und wieso soll er angesichts des nicht existierenden Beschäftigungsverbots im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Bundesärzteordnung "unwürdig" oder "unzuverlässig" sein, wenn er seine betroffenen Mitarbeiter bis zu einem möglicherweise nie kommenden behördlichen Beschäftigungsverbot weiter beschäftigt?


Es gibt darüber hinaus noch eine Fülle weiterer Gründe, warum eine Kündigung im Einzelfall scheitern kann, z.B. weil der Büromitarbeiter auch außerhalb der betroffenen Einrichtung seine Tätigkeit erbringen kann, etwa im Home Office. Sollte sich die Meinung der Altparteien vor Gericht durchsetzen, dass im Fall eines behördlichen Beschäftigungsverbots keine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers besteht, dürfte auch dies einer Kündigung angesichts der befristeten Rechtslage im Weg stehen. Das gilt umso mehr, wenn aufgrund der Dauer des Arbeitsverhältnisses eine sehr lange Kündigungsfrist zu beachten ist.


Im Übrigen vertreten viele Fachjuristen die Meinung, dass mit einem Tätigkeitsverbot belegte Mitarbeiter Anspruch auf Lohnersatzleistungen wie zum Beispiel Arbeitslosengeld haben könnten.


Was ist also zusammenfassend für betroffene Mitarbeiter wichtig, die an ihrer Entscheidung festhalten wollen, sich nicht impfen zu lassen?


1. Keine Panik!

2.Bevor Sie sich auf eine rechtliche Auseinandersetzung festlegen, überlegen Sie bitte, ob Sie bereit, sind eine juristische Auseinandersetzung durchzuziehen. Wer nur eine Instanz bereit ist zu kämpfen, wirft oft gutes Geld schlechtem hinterher.

3. Nicht selbst kündigen, (Sperrfrist droht!) es sei denn man entscheidet sich bewusst für den Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber, der kooperativer und arbeitnehmerfreundlicher ist - natürlich dann mit Starttermin vor dem 16. März 2022! Das sollte man sich aber bei jahrelangen Arbeitsverhältnissen sehr gut überlegen und vorher besser rechtsanwaltliche Beratung in Anspruch nehmen.

4. Kompetente Rechtsanwälte suchen, die bereit sind, diese Auseinandersetzung zu führen.

5. Kontakt mit weiteren Betroffenen intensivieren, Maßnahmen miteinander abstimmen, kooperative Arbeitgeber mit einbinden, denn diese können eine Menge für Ihre Arbeitnehmer tun!

6. Bei behördlichen Beschäftigungs- oder Vertretungsverboten Rechtsschutz organisieren (wir versuchen gerne dabei zu helfen), desgleichen bei Abmahnungen und Kündigungen.

7. Nicht vergessen: Die AfD Thüringen steht an Ihrer Seite und unterstützt gerne im Rahmen ihrer Möglichkeiten.


Stefan Möller

Landessprecher AfD Thüringen

Rechtsanwalt



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